Inzwischen wird die Diagnose „Krebs“ als Trauma bezeichnet. Warum? Weil sie das Leben schlagartig und grundsätzlich und manchmal endgültig verändern kann. Ja, eine Diagnose kann wie ein Nocebo wirken: wie eine sich selbsterfüllende Prophezeiung entwickeln sich Symptome, die wir als Bestätigung der Diagnose betrachten und ihr immer mehr Glauben schenken. So kann eine Diagnose tief in unser Leben und in unser Sterben wirken.
Was ist eigentlich ein Trauma? Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet Verletzung. Die Medizin spricht von einer Verwundung durch Gewalteinwirkung. In der Psychologie kam der Begriff „Trauma“ vor allem durch Sigmund Freuds Traumatheorie ins gesellschaftliche Bewusstsein.
Doch seitdem hat sich der Begriff sehr verändert. Heute wird die Bezeichnung Trauma auf fast alles bezogen, was schockartig kurz- oder langfristig unser Leben bedroht.
Stress bringt uns in eine starke Forderung, ja auch in eine Überforderung. Trauma bringt uns an die Grenzen dessen, was wir mit unserer bisherigen Einstellung meistern können. Trauma kann uns zerbrechen oder uns anregen, über uns hinaus zu wachsen.
Die Erfahrung von Trauma begleitet die gesamte Evolution. Schon vor vermutlich 400 Millionen Jahren zogen sich die ersten Wesen im Meer bei Gefahr in sich zurück, fuhren ihren Energiehaushalt runter und erstarrten in scheinbare Leblosigkeit: alle körperlichen Funktionen laufen minimal, völlige Tatenlosigkeit und Hilflosigkeit sind die Folge.
Mit den Reptilien entwickelte sich ein ganz anderes Verhalten, Gefahren zu begegnen. Sie lernten, Energie zu bündeln, um anzugreifen oder zu flüchten: die Muskeln spannen sich an, das Herz rast, der Blutdruck steigt. Wer kraftvoll, schnell oder schlau genug ist, rettet sich und überlebt.
Die Säugetiere nutzen ihre ureigene Möglichkeit, über Fürsorge und Miteinander, den Schock von Traumen zu erlösen. Gemeinsam sind sie stark.
Menschenbabys zeigen Schrecken und schreien bei Gefahr. Dies ruft einen Erwachsenen auf den Plan, eine/n Retter*in oder Schützer*in. Die helfen, beruhigen, stärken.
Bei einem traumatischen Erlebnis tut der Körper alles, um unser Leben zu schützen. Wenn wir uns heute bedroht fühlen, versuchen wir es erst mit sozialer Unterstützung. Wir erzählen das bedrohliche Erlebnis einem Vertrauten und erlösen so die tiefe Anspannung.
Wenn kein Vertrauter zur Verfügung steht, regredieren wir auf Kampf und Flucht und im schlimmsten Fall auf Starre, Ohnmacht, Verlorenheit.
In der Tierwelt geschehen Traumen vermutlich ständig – Lebensbedrohung durch andere Tiere, Naturkatastrophen, Unfälle etc. Tiere reagieren das Trauma ab, indem sie zittern, tief atmen, sich schütteln und sich dann davon trollen. So können sie traumatische Erlebnisse und damit verbundene Stressreaktionen einfach aus ihrem psychosomatischen System herausschütteln und -zittern. Das zentrale Nervensystem sendet dabei Signale an das Gehirn, dass die Gefahr vorüber ist. So kann der Körper wieder locker werden.
Posttraumatische Störungen wie beim Menschen sind bei Tieren in der Natur nicht bekannt.
Dr. Peter Levine, der Gründer von Psychosomatic Experience, bezeichnet ein Trauma als innere Zwangsjacke, die den Körper erstarren lässt und das Trauma im Gedächtnis einfriert. Das Trauma unterdrückt so die Entfaltung des Lebens, es unterbricht die Verbindung zum Körper, zu anderen Menschen, zur Natur und zum höheren Selbst.
Posttraumatische Belastungsstörungen bilden sich oft, weil ein ständiger Erregungszustand bestehen bleibt, welcher den Organismus dazu veranlasst, einzelne Bestandteile des traumatischen Ereignisses ständig zu wiederholen, um es doch noch irgendwann loszuwerden. Die traumatischen Erfahrungen wiederholen sich so in Träumen, unwillkürlich aufkommenden Gedanken, belastenden Gefühlen und Flashbacks – was jedoch weder die Anspannung noch die Abrufbarkeit verringert, sondern diese quasi noch “trainiert” und zunehmend neuronal stärker verschaltet.
Wir wissen inzwischen, dass Reden alleine häufig nicht ausreicht. Eine Traumatherapie sollte den Körper mit einbeziehen, so dass er sich entlasten und neue Erfahrungen machen kann.
David Berceli hat eine besondere Methode, das neurologische Zittern entwickelt, um Menschen vom Trauma zu befreien. Das Zittern signalisiert dem Gehirn, dass die Gefahr vorbei ist und der Körper sich wieder entspannen kann. So findet der Organismus zurück in einen selbstwirksamen heilenden Mechanismus, welcher die Verarbeitung stressreicher sowie traumatischer Erfahrungen begünstigen kann.
Übungen und Inspirationen:
– Beobachten Sie, wie Sie Ängste aufsteigen und sich auflösen lassen
– Schütteln Sie sich, um aus der Starre rauszukommen
– Lassen Sie die Kiefergelenke immer wieder locker nach unten hängen
– Zittern Sie Anspannung los
– Springen Sie regelmäßig auf einem weichen Trampolin, damit Ihr Körper wieder beweglich wird
– Imaginieren Sie Möglichkeiten zur Erlösung des Traumas