Autonomie bedeutet „Eigengesetzlichkeit“. Es bedeutet nicht, dass man alles ganz alleine machen muss. Der Mensch ist ein zutiefst soziales Wesen. Ein gewisses Maß an Abhängigkeit in vielen Beziehungen gehört zu seinen eigenen Gesetzen. Das Ziel und der Weg der Autonomie ist, möglichst viel Freiheit und Selbstbestimmung im Zusammenspiel all seiner Beziehungen zu erlangen.
Dazu ist jeder Mensch mit drei Grundfähigkeiten für ein gesundes ‚gutes Leben‘ ausgestattet:
- Wahrnehmungs-/Unterscheidungsfähigkeit (auch der eigenen Motivation und des inneren Maßstabs für Bewertungen von Situationen, ob sie aufbauend oder bedrohlich sind)
- Handlungs-/Kooperationsfähigkeit
- Zum Annähern an attraktive aufbauende Ziele (macht Lust und Freude)
- Zum Abwenden von Gefahren (ist mit Stress verknüpft – besonders wenn man darin hängen bleibt, dann wird es Disstress)
- Reflexions-/Lernfähigkeit und Integrationsfähigkeit
Stress – neuro-psychologisch verstanden
Stress ist heute ein Modewort – und das zurecht. Stress entsteht in einer Beziehung zwischen einem gestressten Menschen und einem Stressor. Stressor kann fast alles sein: Arbeitsbedingungen und -aufträge, Chefs, Mitmenschen, Wetter, Lärm, Chemikalien wie auch Nahrungsmittel… Stress bezeichnet eine erhöhte Anspannung in einer Beziehung im weitesten Sinne. Diese Spannung in der Beziehung hat Auswirkungen im gestressten Menschen, in seinem Körper, seinen Gefühlen, seinem Denken und ggf. auch Glauben. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Stress von innen kommt, lohnt es sich häufig, zu reflektieren, in welchen Beziehungen Sie äußere Stressoren, wie Stress der Eltern oder Ihres Arbeitgebers verinnerlicht haben. Dann können Sie diese womöglich wieder von Ihrem System entfernen.
Die Stressreaktion in uns, die Stressantwort, nimmt ihren Anfang damit, dass wir eine Situation als potentiell bedrohlich bewerten. Diese individuelle Bewertung führt zu einem Anschalten unseres neuro-motivationalen Abwendungssystems, das auch Vermeidungssystems genannt wird. Neuro-motivationale Systeme sind vernetzte Strukturen im Gehirn, die dafür sorgen, dass unser Organismus in eine bestimmte Richtung tätig wird – je nachdem ob wir uns einem attraktiven Ziel annähern oder eine Bedrohung abwenden wollen. Diese Regulation durch drei neuro-motivationale Systeme geht bis in den Zellstoffwechsel und die Aktivität der Gene hinein.
Die Stressregulation des Organismus wird durch das Abwendungssystem gesteuert. Es aktiviert das sympathische Nervensystems sowie den Stoffwechsel auf Überleben. Die gesunde Stressregulation erfolgt durch Abwenden des Stressors durch Kampf oder von diesem durch Flucht, bzw. Totstellreflex/Schock, wenn ein aktives Abwenden nicht möglich erscheint. Dann entsteht ein Gefühl von Ohnmacht, Hilf- und Ausweglosigkeit – eine Opfererfahrung (s. „Lösung aus der Opferrolle). Wenn die Bedrohung, also der Stressor, erfolgreich abgewendet wurde, ist die Herausforderung gemeistert. Das stärkt unser Selbstvertrauen, und wir können uns wieder attraktiven Zielen zuwenden.
Zur Lösung
Dazu haben wir ein neuro-motivationales Annäherungs- und ein Kohärenzsystem. Diese können uns positiv motivieren, wenn wir uns sicher fühlen und mit unserem tief innewohnenden Urvertrauen verbunden sind. Dann können wir in Resonanz mit attraktiven Annäherungszielen, wie Partnerschaft, Geselligkeit und anderen Lust spendenden Dingen, und Kohärenzzielen wie Stimmigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Freude und Dankbarkeit gehen. Im Annäherungs- und Kohärenzmodus können wir in Vertrauen entspannen, loslassen und Gelassenheit entfalten und auch wieder aktiv lust- und/oder sinnvollen Zielen nachgehen. Da kann Spaß, Freude, Zufriedenheit, Sinnerfüllung und Dankbarkeit aufkommen.
Soweit funktioniert die gesunde Stressregulation aus neuropsychologischer Sicht.
Probleme entstehen, wenn uns das Abwenden des Stressors gefühlt nicht gelungen ist und wir auch keine Chance dazu mehr sehen oder sogar die letzte Hoffnung aufgegeben und resigniert haben. Dann entsteht Disstress oder auch anhaltender Stress, der für die weitere gesunde Entwicklung eine Herausforderung besonderer Art ist. Wenn unser Organismus in Ruhephasen wie nachts, am Wochenende oder im Urlaub nicht mehr von alleine in den Annäherungsmodus mit Lust und Genuss und/oder Kohärenzmodus mit tiefer Entspannung und umfassender Stimmigkeit schalten kann, steht uns noch eine Reihe von hilfreichen Methoden zur Verfügung.
Dazu gehören Bewegung mit Freude, wie Spazierengehen, Schwimmen, Trampolinspringen, Tanzen und andere Bewegungs-/Sportarten, Entspannungsverfahren, kreative gestalterische Tätigkeiten, Salutogene Kommunikation, Training der Stressregulationsfähigkeit TSF u.a. Stressmanagementtrainings, verschiedene Psychotherapien u.a.m.